Die öffentliche mediale und digitale Kommunikation und Berichterstattung über Braunkohle, Strukturwandel und die Energiewende

Technische und ökonomische Entwicklungen und Entscheidungen weisen immer auch eine soziale und gesellschaftliche Komponente auf. Eine Entwicklung hin zu einer Ökonomie geschlossener Kohlenstoffkreisläufe muss daher auch die Gesellschaft in den Blick nehmen, ohne deren Unterstützung und Akzeptanz eine erfolgreiche Umsetzung kaum möglich ist. Im Zuge einer Transformation des Energiesektors mit dem Ziel einer nachhaltigen Reduktion von CO2-Emissionen werden vor allem fossile Energieträger kritisch diskutiert. Regionen wie das Rheinische Revier, die stark geprägt sind durch die Förderung und Nutzung von Braunkohle, sehen sich nunmehr mit einem massiven Strukturwandel konfrontiert, der neben den technischen und wirtschaftlichen Veränderungen auch mit sozialen Wandlungsprozessen einhergehen wird.

Ein wichtiger Baustein zur umfänglichen Betrachtung des Strukturwandels im Rheinischen Revier im Sinne einer nachhaltigen Energiewende ist die Untersuchung der öffentlich-medialen und -digitalen Kommunikation und Berichterstattung (z.B. mittels Big Data Analysen). Die großen Demonstrationen im Jahr 2018 rund um den Hambacher Forst, zu denen vielfach auch in den sozialen Medien aufgerufen wurde, zeigten, wie wichtig die gesellschaftliche bzw. öffentliche Wahrnehmung sein kann. Dabei stellt sich zum einen die Frage, welche Faktoren die Sichtbarkeit von Braunkohlegegenerinnen und -gegnern und die Solidarität mit Protesten im Hambacher Forst in der öffentlichen Berichterstattung beeinflussen. Zum anderen, so scheint es, sind die Themen Braunkohle, Braunkohleausstieg, Klimawandel und Energiewende nicht nur auf der politischen Agenda (wieder) gestiegen, sondern auch das öffentlich-mediale Interesse ist (wieder) gewachsen. Doch worin liegt die gestiegene Aufmerksamkeit begründet? Ist hier der öffentliche und mediale Druck tatsächlich gewachsen oder ist es umgekehrt und die politische Agenda hat die öffentliche Aufmerksamkeit bestärkt? Was genau meint Öffentlichkeit in diesem Zusammenhang? Welche Akteure treten hier auf und welche Meinung vertreten sie? Zeigen sich innerhalb der Debatten große, gemeinsame Linien, die repräsentativ sind für den Großteil der Bürgerinnen und Bürger, oder ist die Meinungslandschaft viel fragmentierter und zersplitterter, als es in den (sozialen) Medien erscheint?

Eine entscheidende Rolle in diesen Zusammenhängen spielt die Darstellung und Argumentation der verschiedenen Standpunkte in den Diskursen. Denn während (Braun-)Kohle in einigen Aussagen mitverantwortlich für den Wohlstand und die wirtschaftliche Stärke des Rheinischen Reviers und Deutschlands als Industrienation ist, wird sie in anderen durch ihre Verstromung zum „verteufelten Klimakiller“. Die Interpretationsmuster, Rahmen oder Framings, die im Zusammenhang mit den verschiedenen Begriffen wie (Braun-)Kohle, Tagebau oder Hambacher Forst von den unterschiedlichen Akteuren genutzt werden, beeinflussen maßgeblich die Konnotation und Assoziationen der genannten Begriffe. So werden insgesamt Narrationen rund um die relevanten Themen von unterschiedlichen sozialen Gruppen strategisch und zur Erreichung differierender Ziele. Offen ist, wer welche Themen wie und mit welchem Erfolg platzieren kann und welche gesellschaftlichen Auswirkungen damit einhergehen. Gleichzeitig beeinflussen die zu klärenden Aspekte den stofflichen Einsatz von Braunkohle bzw. das Image von Industrie und Unternehmen, die rund um die Braunkohle tätig sind. Durch gezieltes Herausarbeiten dieser Aspekte können folglich Strategien und Handlungsempfehlungen erarbeitet werden, um bspw. durch mediale Berichterstattung hervorgerufene Vorurteile gegenüber der (Braun-)Kohle-basierten Wirtschaft NRWs zu schmälern.

Aufgabe

Ziel des Promotionsvorhabens ist es, die verschiedenen Perspektiven der Kommunikation und Berichterstattung im Themenfeld um den mit der Energiewende verbundenen Strukturwandel mit besonderem Blick auf das Rheinische Revier zu untersuchen und zu analysieren.

Für einen ersten Überblick über aktuelle Themen und betroffene Akteure bieten sich Vorgespräche mit relevanten Vertreterinnen und Vertretern in der Region Rheinisches Revier an. Mögliche Kooperationspartner/-innen könnten neben verschiedene Bürgerinitiativen und NGOs auch lokale Medien, Unternehmen oder kommunale Akteure sowie Projekt- und Kooperationspartner/-innen der Doctoral School Closed Carbon Cycle Economy sein.

Zur konkreten Bearbeitung der Fragestellung sind verschiedene Theorien und Methoden denkbar: Zum einen können diese theoretisch und konzeptionell an die Arbeiten von Erving Goffmanns Framing-Ansatz angeknüpft werden. Zum anderen ist aber auch eine Anlehnung an Diskurs- oder Narrationstheorien möglich. Dementsprechend bieten sich auch unterschiedliche methodische Herangehensweisen an, beispielsweise Big Data Analysen sowie Inhalts- und Dokumentenanalysen.

Die Promotionsarbeit kann damit auf zwei Ebenen einen wichtigen Forschungsbeitrag leisten: Einerseits kann sie im gesellschaftspolitisch schwierigen Kommunikationsprozess des Strukturwandels Aufklärungsarbeit leisten. Andererseits kann sie an sozialwissenschaftlich höchst relevante Debatten zu neuen Methoden z.B. im Bereich Big Data anknüpfen.