Resilienz durch cross-sektorale, dezentrale Energiesystemstrukturen

Der Wandel des Energiesystems in Deutschland wird in Zukunft neben der Stromversorgung zunehmend auch die Sektoren Gas, Wärme und Transport umfassen. Die Energieversorgung wird dabei unter Nutzung der Einspeisung aus erneuerbaren Energiequellen zunehmend strombasiert sein. Mit Kopplung der verschiedenen Sektoren wird eine signifikant höhere Systemkomplexität einhergehen. Gleichzeitig setzt sich die Dezentralisierung des Energiesystems hinsichtlich Erzeugung und bedarfsgerechte Bereitstellung von Energie auch zukünftig fort. Mit der einhergehenden Digitalisierung werden zukünftig sehr umfangreiche, heterogene und dynamische Informationen vor allem aus den peripheren Bereichen der Energiesysteme verfügbar sein.

Die damit verbundene zunehmende Komplexität führt dazu, dass das Energiesystem in Zukunft nicht mehr fail-safe ausgelegt werden kann. Stattdessen muss ein Paradigmenwechsel hin zu safe-to-fail-Systemen erfolgen. Es muss davon ausgegangen werden, dass es durch Störungen der Kommunikationsstrecken, Programmfehler, Hackerangriffe, Fehlbedienungen, Naturereignisse etc. zu Ausfällen von Einzelanlagen bis hin zu großen Netzgebieten kommen kann. Die Herausforderung für die zukünftigen Energieversorgungsstrukturen besteht somit in der Gewährleistung der notwendigen Resilienz, also der Eigenschaft des Systems bei Störungen, Fehlern oder Sondersituationen die Systemstabilität vollständig oder zumindest teilweise beizubehalten oder durch systemimmanente Prozesse schnellstmöglich automatisch wiederherzustellen.

Der Begriff der Resilienz hat im Kontext von Energiesystemen und -infrastrukturen in kurzer Zeit eine sehr große Sichtbarkeit gewonnen. Im Gegensatz zu anderen Wissenschaftsdisziplinen wie z.B. der Klima- und Umweltforschung ist eine umfassende Beschreibung des Begriffes der Resilienz für diesen Anwendungsfall bisher aber nicht erfolgt.

Im Rahmen dieses Projektes soll eine grundlegende Betrachtung und methodische Aufbereitung des Themas der Resilienz in zukünftigen Energieversorgungsystemen und -infrastrukturen erfolgen. Dazu sollen relevante nationale und internationale Studien, Veröffentlichungen und Patente zum Thema resilienter cross-sektoraler zellulärer Energiesysteme recherchiert und aufbereitet werden. Für eine grundlegende systemische Betrachtung erfolgt zudem eine Analyse von Resilienzansätzen aus anderen Forschungsgebieten und deren Übertragbarkeit auf die Energiesystemtechnik.

Aus der Zielstellung heraus Aussagen zur Resilienz von Energiesystemen treffen zu können, ergibt sich die Notwendigkeit einer quantitativen und qualitativen Bewertung dieser Systemeigenschaft. Dazu werden im Rahmen des Projektes Analysen und Aufbereitungen bereits entwickelter Metriken zur Bewertung durchgeführt. Dabei werden neben energietechnischen Ansätzen auch fachgebietsübergreifende Vorgehensweisen betrachtet. Auf Basis dieser Untersuchungen werden Aussagen über notwendige, zu überwachende Systemvariablen und Prozessgrößen getroffen und Vorgehensweisen zum Monitoring und der Analyse dieser Größen skizziert. Zur Validierung dieser Vorgehensweise und der Einbeziehung von Erfahrungswerten aus dem aktuellen und durch Netzbetreiber geplanten mittel- und langfristigen Ansätzen zur Netzbetriebsführungen ist ein Workshop mit Netzbetreibern zu diesem Thema geplant.

Die so erarbeiteten Grundlagen werden anhand eines möglichen Lösungsansatzes für zukünftige dezentrale Energieversorgungsstrukturen, am Beispiel von zellulären cross-sektoralen Energiesystemen, hinsichtlich der Auswirkungen auf die Resilienz des Teil- und Gesamtsystems näher betrachtet. Zelluläre Energiesystemstrukturen werden im Energiesystem der Zukunft umfangreiche, autarke Aufgaben bezüglich der dezentralen Energieerzeugung, -wandlung sowie der Betriebsführung in allen operativen Ebenen der Versorgungsinfrastrukturen übernehmen. Diese energetischen Zellen können dabei entweder statisch oder dynamisch gebildet werden und tauschen untereinander Energie und Informationen aus. Im Falle kritischer Situationen sind sie in der Lage, unabhängig vom Verbundsystem eine definierte Versorgungsleistung aufrechtzuerhalten. Cross-sektorale Energiesysteme bilden zukünftig die Grundlage der Energieversorgung. Diese bieten die Chance der Gewährleistung der Systemstabilität des Gesamtenergiesystems durch die Nutzung der einzelnen Teilsektoren. Gleichzeitig stellt dies aber auch große Herausforderungen an den komplexen Betrieb cross-sektoraler Energiesystemstrukturen dar. Für die Bewertung des Einflusses derartiger Versorgungsstrukturen auf die Resilienz des Energiesystems wird ein Vergleich zu aktuellen Energiesystemstrukturen vorgenommen. Im Rahmen eines weiteren Workshops mit der Netze BW / EnBW sollen diese Ansätze und Vorgehensweisen diskutiert und an den Erfahrungen aus den aktuellen Planungen und dem Betrieb von Verteilnetzstrukturen gespiegelt werden.

Für den Entwurf, die Planung und den Betrieb zukünftiger resilienter Energiesysteme sind neuartige Verfahren und Methoden notwendig. Hierzu soll das Projekt einen wertvollen Beitrag in Form der Ableitung von Anforderungen an die einzelnen Struktur- und Prozessebenen kommender Energiesysteme leisten. Dies umfasst die Ableitung von Anforderungen an die Architektur und das Design von resilienten Energiesystemen beispielhaft für die beiden näher betrachteten Lösungswege dezentrale Energiezellen und cross-sektorale Energiesysteme.

Zur Bewertung und Überwachung der Resilienz von Energiesystemen sind neue Verfahren für das Monitoring und die Überwachung notwendig. Hierzu werden Anforderungen an die Datenerfassung und die Analyse relevanter Prozessgrößen sowie die Ableitung von Aussagen über den Systemzustand erarbeitet. Dabei stehen vor allem Ansätze zum Monitoring von zellulären oder cross-sektoralen Energiesystemen auf Basis heterogener, verteilter Datenerfassungen mit verschiedenen Zeitskalen und Vertrauensstufen der Sensordaten, mit dem Ziel der Beobachtbarkeit und Steuerbarkeit im Vordergrund. Dies ermöglicht im operativen Betrieb die Erkennung von Anomalien mittels einer neuen Klasse von Verfahren und das Umschalten von Betriebsführungsstrategien zwischen Normalzustand sowie dem gestörten Systemzustand.

Daraus ergeben sich folgende Fragestellungen für dieses Projekt:

  • Was bedeutet Resilienz für die zukünftigen Energiesysteme?

  • Welche Indikatoren werden benötigt um die Resilienz des Systems zu bestimmen?

  • Wie können zelluläre, cross-sektorale Energiesysteme zu einem resilienten Energiesystem der Zukunft beitragen?

  • Welche Anforderungen ergeben sich aus der Gewährleistung der Resilienz des Systems an die Strukturen (Design, Planung) und Prozesse (z.B. Monitoring, Anomalieerkennung, Betriebsführung) des zukünftigen Energiesystems?