Steuerung von Folgenutzungen in ehemaligen Braunkohlerevieren mittels Raumordnung und Bauleitplanung: Rechtliche Möglichkeiten und Grenzen

Der beschleunigte Ausstieg aus der Braunkohlegewinnung und -verstromung stellt nicht zuletzt eine Herausforderung für die Systeme der Raumplanung dar. Auf der tatsächlichen Ebene gilt es zum einen, die großräumige Tagebaunutzung selbst zu beenden und die erforderlichen Maßnahmen für die Rekultivierung zu treffen. Zum anderen müssen bestehende Nutzungsstrukturen überprüft und gegebenenfalls angepasst oder neue Strukturen entwickelt werden. Schließlich müssen neue, den Strukturwandel vollziehende Ansiedlungsentscheidungen entwickelt und umgesetzt werden.

An diesem Transformationsprozess sind alle Ebenen der gestuften Raumplanungssysteme beteiligt. Dies betrifft neben den bergrechtlichen Planungen etwa die Fachplanungen der Infrastrukturen (Energieleitungsplanung, Straßen- und Eisenbahnplanung), die Landschaftsplanung, insbesondere aber auch die kommunale Bauleitplanung. Schließlich steht insbesondere für die Koordination aller Planungen die Raumordnungsplanung als überörtliche Gesamtplanung zur Verfügung.

Grundsätzlich liegt die Kompetenz für Entscheidungen über die Bodennutzung bei den Kommunen. Die verfassungsrechtlich in Art. 28 Abs. 2 GG verankerte kommunale Planungshoheit wird mit den Mitteln der vorbereitenden- und der verbindlichen Bauleitplanung (Flächennutzungsplan, Bebauungsplan) ausgeübt. Das System der kommunalen Bauleitplanung gewährleistet einen alle Interessen am Raum integrierenden, partizipativen, in der kommunalen Demokratie besonders legitimierten und deshalb von der Bürgerschaft vor Ort in hohem Maße akzeptierten Prozess der räumlichen Entwicklungsplanung.

Zugunsten der im kommunalen System nicht hinreichend abgebildeten überörtlichen Interessen wird die kommunale Planungshoheit durch die (sektoralen) Fachplanungen überlagert. Fachplanungen sind an die Bauleitplanung regelmäßig nicht gebunden und von dieser nachrichtlich aufzunehmen. Weitere Vorgaben für die Bauleitplanung – gegebenenfalls aber auch für die Fachplanung - ergeben sich aus der zweistufigen Raumordnung (Landesplanung, Regionalplanung), an deren Zielfestlegungen die Bauleitplanung anzupassen ist und deren Grundsatzfestlegungen planerisch abwägend zu berücksichtigen sind.

Der Ausstieg aus der Braunkohle innerhalb eines festgelegten Zeitfensters verschiebt das Koordinatensystem der genannten Planungsebenen insgesamt und macht ein zeitlich wie sachlich koordiniertes Vorgehen erforderlich.

Aus der Perspektive der betroffenen Kommunen stellt sich zunächst die Frage nach der Freigabe der bisher durch Berg- und Fachplanung beanspruchten Flächen. Denn erst die Freigabe der fachplanungsbetroffenen Flächen gewährleistet die Umsetzbarkeit und damit die städtebauliche Erforderlichkeit kommunaler Planungen als deren Zulässigkeitsvoraussetzung (§ 1 Abs. 3 BauGB). Insoweit ist zu klären, wie, wann und in welchen Verfahren die kommunalen Hoheitsträger die Planungsbefugnis zurückerlangen. Hierbei ist erforderlich, dass die Kommunen von Beginn an hinreichend in den Transformationsprozess eingebunden sind, um sicherzustellen, dass ihre städtebaulichen Vorstellungen einfließen und im Anschluss an eine Nutzungsaufgabe zeitnah in geltendes Planungsrecht umgesetzt werden können.

Der überörtliche Charakter des Transformationsprozesses macht darüber hinaus aber auch die raumordnerische Koordination nötig. Für die Ansiedlung von raumbedeutsamen Anschlussnutzungen, für die Ausweisung neuer Infrastrukturtrassen, aber auch für die erforderliche Schaffung neuer Raumstrukturen bedürfen die kommunalen Planungsträger der überörtlichen Steuerungs- und Koordinierungsleistung der Landes- und Regionalplanung. Zudem wird schon aufgrund der anzunehmenden Förderkulisse eine verstärkte landesplanerische Steuerung unausweichlich sein. Um Verzögerungen und Rechtsunsicherheit zu vermeiden ist weder ein konsekutives Vorgehen denkbar, das die Bauleitplanung zeitlich nach dem Erlass landes- und regionalplanerischer Regelwerke vorsieht, noch erschiene ein iterativer Prozess sinnvoll, der die Kommunen auf die Möglichkeit verweist, ihre Bauleitplanung aufgrund nachfolgender Raumordnungspläne anzupassen. Vielmehr ist ein abgestimmtes Vorgehen erforderlich. Dieses abgestimmte Vorgehen ist die einzige Möglichkeit das Gegenstromprinzip (§ 1 Abs. 3 ROG) zu verwirklichen, das die beteiligten Planungsträger zur Aufnahme und Berücksichtigung der jeweils anderen Planungsebene verpflichtet. Andererseits bleibt aber auch in koordinierten Planaufstellungsverfahren zu gewährleisten, dass die unterschiedlichen Steuerungs- und Verantwortungsebenen gewahrt.

Vor dem Hintergrund dieses zeitlichen und sachlichen Koordinationsbedarfes aller Planungsebenen wird zu prüfen sein, ob die planungsrechtlichen Herausforderungen des Braunkohleausstiegs auf der Grundlage der bestehenden Systeme zu leisten ist, oder einer neuen, auch institutionell abzubildenden Planungsorganisation bedarf. Dabei sind den Defiziten bestehender Planungskaskaden die Reibungsverluste einer Neustrukturierung, aber auch die Partizipations-, Akzeptanz- und Legitimationsdefizite einer „Hochzonung“ von Planungskompetenzen und -verfahren gegenüberzustellen.

Wesentliche Erkenntnisse können hierbei aus den Erfahrungen gewonnen werden, die insbesondere in Ballungsräumen (Metropolräumen) mit der auch institutionellen Koordination der verschiedenen Planungsebenen gemacht wurden. Dafür kommen etwa die Regionen Hannover, Stuttgart und Frankfurt in Betracht, aber etwa auch die Erfahrungen, die die Städteregion Ruhr mit der Regionalen Flächennutzungsplanung (§ 9 Abs. 6 ROG, § 204 BauGB) gemacht hat.

Aufgabe

Ziel des Vorhabens ist es, Szenarien und Verfahrensmodelle zu entwickeln, die eine abgestimmte Raumplanung für die Braunkohlereviere ermöglichen. Die Szenarien und Modelle müssen passgenau auf die Herausforderungen des Braunkohleausstiegs angepasst und zeitgerecht umsetzbar sein, ein hohes Maß an Rechts- und Investitionssicherheit gewährleisten und die Partizipations-, Akzeptanz- und Legitimationsvorteile, die der kommunalen Planungshoheit zugeschrieben werden, bewahren.