Innovationsnetzwerke und Wissensdiffusion im Rheinischen Revier - ein agentenbasierter Ansatz

Aufgrund des sich abzeichnenden Endes der Braunkohleverstromung im Rheinischen Braunkohlerevier steht der Region ein Strukturwandel bevor. Die Gestaltung des Strukturwandels muss dabei technische, wirtschaftliche, juristische, soziale und ethische Aspekte beachten. Die interdisziplinäre Doctoral School Closed Cabon Cycle Economy (DS CCCE) soll diesen Strukturwandel wissenschaftlich begleiten und Impulse zu seiner nachhaltigen Ausrichtung zu geben. Gerade ihre Interdisziplinarität birgt die Möglichkeit den Strukturwandel in den genannten Aspekten nachhaltig zu gestalten und somit einen andauernden Strukturwandel zu vermeiden, wie er in anderen Regionen besteht. Im Rahmen der Promotionsprojekte der DS CCCE wird der Lehrstuhl für Makroökonomik der Ruhr-Universität Bochum die nötigen ökonomischen Maßnahmen für einen gelungenen Strukturwandel untersuchen. Ziel des vorliegenden Forschungsprojekts ist es, eine zukunftsfähige und somit in vielerlei Aspekten nachhaltige Strategie für den Strukturwandel des Rheinischen Reviers zu finden.

Regionalen Strukturwandel gab und gibt es in Deutschland auch in anderen Regionen, z.T. schon seit vielen Jahrzehnten. Daher bietet es sich an, der Verlauf des Strukturwandels in diesen Regionen zu untersuchen um herauszufinden, welche Faktoren zu einem Erfolg oder Misserfolg der Transformation beigetragen haben. Der Vergleich mit dem Rheinischen Revier soll zeigen, ob die identifizierten (Miss-)Erfolgsfaktoren auch dort relevant sind. Dies erlaubt zum einen eine Prognose über die mögliche Dauer des Strukturwandels und die damit verbundenen ökonomischen und gesellschaftlichen Kosten, zum andern können Handlungsempfehlungen abgeleitet werden, welche wirtschaftspolitischen Maßnahmen durchgeführt bzw. unterlassen werden sollten. Ostdeutschland ist aus vielen Gründen ein Sonderfall, der mit dem Rheinischen Revier nur wenig vergleichbar ist. Daher konzentriert sich die Untersuchung auf westdeutsche Vergleichsregionen. Naheliegend sind die Steinkohlereviere Ruhrgebiet und Saarland, wo der Strukturwandel bereits mit der Steinkohlekrise in den 1960er Jahren begann und bis heute nicht abgeschlossen ist. Um nicht Gefahr zu laufen, durch eine zu starke Fokussierung auf Energie und Bergbau wichtige Faktoren zu übersehen, wird auch die Schiffsbauindustrie an der deutschen Nord- und Ostseeküste, v.a. in Ostfriesland, Bremen und Kiel einbezogen. Diese Region ist auch deswegen interessant, da durch Offshore-Windparks dem Energiesektor eine wichtige Zukunftsrolle zugeschrieben wird, was eine Parallele zum Rheinischen Revier ist.

Das Projekt gliedert sich in vier Phasen: eine Vorbereitungsphase, eine Vertiefungsphase, eine Vergleichsphase und Evaluationsphase.

In der Vorbereitungsphase wird der/die PromovendIn die bisherige Forschungsliteratur zu regionalem Strukturwandel in Deutschland auswerten, z.B. zum Ruhrgebiet oder zum Saarland. Auf der Basis dieser Fallstudien wird ein Kriterienkatalog für einen erfolgreichen Strukturwandel und eine Sammlung von Einflussfaktoren erstellt. Zudem wird entschieden, welche Regionen im weiteren Verlauf genauer betrachtet werden sollen. In der Vertiefungsphase werden in den Vergleichsregionen Experten in Wirtschaft, Politik und Verwaltung identifiziert und nach ihren Erfahrungen und Einschätzungen bzgl. des Strukturwandels in ihrer Region befragt. Insbesondere soll ermittelt werden, was aus Sicht der lokalen Experten Fehler oder Erfolgsstrategien waren. Im Ruhrgebiet gibt es zahlreiche Forschungsinstitutionen an Universitäten, Fachhochulen und Forschungsinstituten (z.B. RWI, IAT), die sich bereits seit langem mit dem Fragen des Strukturwandels befassen. Durch die Kontakte des Lehrstuhls besteht hier ein besonders guter Zugang zu Experten aus Wissenschaft in Praxis. Über persönliche Netzwerke bestehen aber auch Beziehungen nach Bremen oder Kiel, so dass auch Zugang zu lokalen Experten besteht.

Im dritten Schritt, der Vergleichsphase, werden die Ergebnisse aus den Fallstudien auf das Rheinische Revier übertragen. Es wird geprüft, welche Ähnlichkeiten in Bezug auf ökonomische Strukturen, Innovationspotential, Institutionen, Verwaltungsstrukturen und politische Verhältnisse bestehen und welche Unterschiede es gibt. Die Ergebnisse dieses Vergleichs werden mit Experten aus dem Rheinischen Revier diskutiert, z.B. mit IHK-Vertretern oder Experten der lokalen Wirtschaftsförderung. Das Ziel dieses Projektschritts ist, Fehler aus anderen Regionen zu vermeiden und Erfolgsfaktoren zu stärken. Im Austausch mit den regionalen Experten sollen auf der Basis des Regionenvergleichs erfolgsversprechende Handlungskonzepte entworfen werden.

Parallel zur Erarbeitung der Fallstudien und der praktischen Handlungskonzepte kommen moderne computergestützte Forschungsmethoden zum Einsatz. Geplant ist, dass beide Promovierende des Lehrstuhls für Makroökonomik (siehe Promotionsthema: „Qualitative Analyse von Innovationsnetzwerken als Treiber eines nachhaltigen Strukturwandels im Rheinischen Revier“) in der DS CCCE gemeinsam ein agentenbasiertes Netzwerkmodell des Innovationssystems Rheinisches Revier entwerfen. Dieses Modell wird parallel zu den ersten drei Phasen bearbeitet. Es wird vor allem in der vierten Phase, der Evaluationsphase, genutzt. Mithilfe von Modellsimulationen sollen Aussagen getroffen werden, welche Auswirkungen äußere Einflüsse (z.B. politische Entscheidungen) oder endogene Entwicklungen (z.B. Wegfall eines Akteurs) auf das Innovationssystem Rheinisches Revier und damit auf die regionale Wirtschaftsleistung haben. Das Modell wird die Inhalte beider Promotionsarbeiten des Lehrstuhls verbinden. Zum einen können die Kenntnisse aus den Fallstudien genutzt werden, um hemmende und förderliche Faktoren des Strukturwandels in das Modell zu inkorporieren. Außerdem können auf dieser Basis die Rahmenbedingungen und Szenarien für die simulierten Szenarien festgelegt werden. Zum anderen werden die Erkenntnisse aus dem Technologie-Roadmapping-Prozess (siehe Promotionsthema: „Qualitative Analyse von Innovationsnetzwerken als Treiber eines nachhaltigen Strukturwandels im Rheinischen Revier“) verwendet, um konkrete Technologien und Industrien abzubilden. Das Modell wird auf den Arbeiten von Pyka, Müller und Kudic (2018) aufbauen, die das regionale Innovationssystem von Heilbronn-Franken modellieren und den Einfluss verschiedener Politiken untersuchen. Vonseiten Dr. Muhamed Kudics wurde uns Unterstützung bei der Umsetzung des agentenbasierten Netzwerkmodells angeboten. Daher werden die Promovierenden sich regelmäßig mit Herrn Kudic von der Universität Bremen austauschen.

Neben der wissenschaftlichen soll die praktische Kooperation bei der Umsetzung des Modells nicht zu kurz kommen. Ein erster Workshop (geplant 2020) in diesem Projekt soll die Ergebnisse der Fallstudien aus anderen Regionen mit Vertretern des Rheinischen Reviers diskutieren (IHK, WfG und Forschungseinrichtungen). Ein zweiter Workshop (geplant im Anfang/Mitte 2021) wird die vorläufigen Modellergebnisse und Szenarien präsentieren und zur Diskussion stellen. Weiterhin können die Expertenaussagen zur Kalibrierung der Modellparameter und zur Validierung des Modells genutzt werden. Der dritte (Abschluss-)Workshop (geplant Ende 2021) dient zur Vorstellung der Forschungsergebnisse.

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