Steuerung von Folgenutzungen in ehemaligen Braunkohlerevieren mittels Fachplanung und -genehmigung: Rechtliche Möglichkeiten und Grenzen

Mögliche Nach- und Folgenutzungen im Rheinischen Braunkohlerevier berühren in vielfältiger Weise das Fachplanungs- bzw. Anlagengenehmigungsrecht. Namentlich gilt dies für davon betroffene raumbedeutsame Infrastrukturvorhaben, allem voran in Bezug auf die Nachsorge für die Braunkohletagebaue selbst einschließlich der Wiedernutzbarmachung ehemals bergbaulich genutzter Flächen, sodann hinsichtlich notwendiger Umplanungen vorhandener oder der Anlage neuer Straßen- und Wege, Schifffahrtsstraßen, Flughäfen, Eisenbahnlinien, Anlagen der Energieversorgung und der Wasserver- bzw. Abwasserentsorgung einschließlich der Grund- und Oberflächengewässerbewirtschaftung und auch der Abfallentsorgung. Hinzukommen werden Genehmigungsverfahren für die Ansiedlung neuer oder wesentliche Veränderungen bestehender (raumbedeutsamer) Industrieanlagen.

Einschlägig sind insoweit die Fachplanungen bzw. -genehmigungen vor allem nach Bergrecht (Betriebsplanung bzgl. Stilllegung und Nachsorge/Wiederaufbereitung von Braunkohlebergwerken nach §§ 50 ff. BBergG), u.U. auch nach dem Kohlendioxid-Speicherungsgesetz (für denkbare CO2-Pipelines), ferner nach Immissionsschutzrecht (bzgl. des notwendigen Rückbaus von Kohlekraftwerken, aber auch der möglichen Umnutzung bestehender und/oder Ansiedlung neuer und sonstiger Industrieanlagen) sowie nach dem Energiewirtschafts-, Straßen- und Eisenbahnrecht in Bezug u.a. auf die Verlegung von entspr. Versorgungsanlagen (Straßen, Leitungen etc.) sowie die Neuregelung von Wege- und Kreuzungsrechten. In Bezug auf die Um- oder Neuplanung insbesondere von Landes- oder Staatsgrenzen übergreifenden Höchstspannungsleitungen mit dem Netzausbaubeschleunigungsgesetz Übertragungsnetz (NABEG) von 2011 ein Sonderregime existiert, nachdem u.a. anstelle von sonst zuständigen Landesbehörden die Bundesnetzagentur (auch) als Planungsbehörde fungiert und der eigentlichen Fachplanung eine gesonderte „Bundesfachplanung“ mit umfangreicher Öffentlichkeitsbeteiligung vorgeschaltet ist. Involviert sein werden des Weiteren Maßgaben insbes. des Wasserhaushaltsrechts (zB im Hinblick auf Wasserschutzgebiete und den Schutz des Grundwassers) sowie des Abfallrechts (bzgl. des Schicksals vorhandener Deponien und/oder Abfallverbrennungsanlagen) sowie des übrigen Umweltrechts (Natur-, Landschafts-, Bodenschutz u.a.).

Die vorhabenbezogene Fachplanung vollzieht sich regelmäßig, genauer: soweit fachgesetzlich angeordnet, im Wege der Planfeststellung oder der verfahrensrechtlich vereinfachten Plangenehmigung nach den §§ 72 ff. VwVfG (vorliegend des Landes NRW); die Planfeststellung fungiert dabei zugleich als Trägerverfahren für die u.U., d.h. nach Maßgabe des UVP-Gesetzes für ein konkretes Projekt erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP). Planfeststellung und Plangenehmigung zeichnen sich – also sog. „förmliche“ Verwaltungsverfahren – durch ihre „Konzentrationswirkung“ aus, indem in (nur) einem Planfeststellungs- bzw. Plangenehmigungs-beschluss alle nach dem jeweiligen Fachrecht erforderlichen Einzelgenehmigungen (z.B. nach Bau-, Boden-, Naturschutz-, Wasserrecht) – insgesamt, u.U. auch unter Formulierung von Auflagen – erteilt werden. Dies impliziert die Beteiligung aller jeweils zuständigen Fachbehörden, u.U. auch im angrenzenden Ausland (Belgien, Niederlande), am Planungsverfahren. Charakteristisch sind ferner die „Präklusionswirkung“ von Planfeststellung und -genehmigung, dergestalt dass im sog. „Anhörungsverfahren“ nicht fristgemäß vorgebrachte Einwände in späteren Verfahrensstadien (Widerspruch, Klage) ausgeschlossen sind, sowie die „enteignungsrechtliche Vorwirkung“, wonach eine für das konkrete Vorhaben etwa erforderliche (Grund-) Enteignungen nicht mehr dem Grunde nach, sondern grundsätzlich nur noch in Bezug auf die Art der Enteignung und die Höhe der Entschädigung zu prüfen ist. Schon mit diesen besonderen Wirkungen dienen Planfeststellung und -genehmigung der Verfahrensbeschleunigung. Überdies war das Recht der Fachplanung in den letzten Jahren wiederholt Gegenstand gesonderter Gesetze zur Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung, zuletzt und sektorenübergreifend in Gestalt des Gesetzes zur Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligung und Vereinheitlichung von Planfeststellungsverfahren v. 21.05.2013 (BGBl. I S. 1388).

Soweit insbesondere Industrieanlagen nicht planfeststellungspflichtig sind, bedürfen sie häufig und gemäß den §§ 4 ff. BImSchG i.V.m. der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen (4. BImSchVO) der besonderen immissionsschutzrechtlichen Zulassung. Auch dieses Verfahren besitzt „Konzentrationswirkung“ (vgl. § 13 BImSchG), bleibt im Übrigen aber hinter der „Förmlichkeit“ und den spezifischen Rechtswirkungen der Planfeststellung und -genehmigung zurück

Aufgabe

Im Ganzen sind sowohl der Planfeststellung und -genehmigung als auch der immissionsschutzrechtlichen Anlagengenehmigung schon seit der Beschleunigung der Verkehrswegeplanung im Zuge der deutschen Wiedervereinigung Elemente der Verfahrensbeschleunigung wie auch der Behörden-, Betroffenen- und Öffentlichkeitsbeteiligung immanent. Dem vorliegenden Dissertationsvorhaben soll es unterdessen gerade darauf ankommen, speziell in Bezug auf mögliche Nach- und Folgenutzungen im Rheinischen Braunkohlerevier gesonderte Mechanismen zur Verfahrensbeschleunigung auszuloten und dazu auch rechtspolitische Handlungsempfehlungen zu entwickeln. Dies bedarf der Sichtung insbesondere folgender Teilprobleme:

  • Planfeststellungs- bzw. plangenehmigungsverfahren sowie anlagenbezogene Genehmigungen nach dem BImSchG erfolgen gewöhnlich isoliert nebeneinander und für die jeweils betroffenen Typen raumbedeutsamer Infrastrukturvorhaben. Zugleich unterscheiden sich die Vorgaben an das Planungs-/Genehmigungsverfahren – ungeachtet der u.a. mit dem Planungsvereinheitlichungsgesetz von 2013 (s.o.) erfolgten „Hochzonungen“ einzelner Vorgaben in das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht – weiterhin und z.T. nicht unerheblich (insbes. bzgl. Hochspannungsleitungen und ihrer u.U. erforderlichen Erdverkabelung nach dem Gesetz zur Änderung von Bestimmungen des Rechts des Energieleitungsbaus von 2015). Zu fragen ist, ob nicht für das Rheinische Braunkohlerevier besondere Mechanismen zur Bündelung wie zur besonderen Verfahrensbeschleunigung, auch mittels Konzentration und Koordination von Behördenzuständigkeiten (Stichwort u.a.: one stop agency), entwickelt werden können. Dies schließt mögliche neue und erweiterte Formen der Betroffenenpartizipation und Öffentlichkeitsbeteiligung, insbesondere auch auf „digitalem“ Wege, ein.


  • Unter dem Aspekt der Verfahrensbeschleunigung bedarf es womöglich auch neuer und gesonderter Abstimmungen zwischen Fachplanung bzw. Anlagengenehmigung und der Raumplanung im Rheinischen Revier. Insonderheit betrifft dies die Koordinierung mit der speziellen und im Zuge eines „Kohleausstiegs“ notwendig anzupassenden Braunkohleplanung für die betreffenden aktiven bzw. noch wieder nutzbar zu machenden Tagebaue, aber auch mit der allgemeinen Raumordnung (Landesentwicklungsplan, ggfs. Regionalpläne), soweit diese nach Fachplanungsrecht nicht verzichtbar ist, und der Bauleitplanung in den Revierkommunen, hier u.a. mit Blick auf etwa notwendige Um- oder Neubesiedlungen. Dabei ist daran zu denken, in einer möglichen „Sonderwirtschaftszone“ auch ein besonderes Fach- und Raumordnungsregime zu etablieren sowie auch institutionell z.B. bei einer federführenden Behörde zu konzentrieren. Als hilfreich kann sich zudem ein eigener und gesonderter Regionalplan für das Rheinische Revier erweisen (s. zu allem AP 1-14).


  • Weitere Fragen können sich in Bezug auf Einzelaspekte der Verfahrensbeschleunigung resp. Öffentlichkeitsbeteiligung ergeben. Zu nennen sind etwa Probleme bei der Verlegung von Verkehrswegekreuzungen, hinsichtlich der „privilegierten“ Enteignung für Planvorhaben einschließlich Veränderungssperren, Vorkaufsrechten und/oder der vorzeitigen Besitzeinweisung (s. z.B. §§ 44 ff. EnWG) sowie bei der baurechtlichen Privilegierung von sog. Außenbereichsvorhaben nach § 35 BauGB. Schließlich werden auch Aspekte des Rechtsschutzes gegenüber Planfeststellungen und -genehmigungen resp. sonstigen Anlagenzulassungen zu bedenken sein, speziell etwa in Bezug auf die „Verbandsklage“ durch Umweltschutzvereinigungen nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz.


  • In punkto Methodik ist nach den anerkannten Regeln des juristischen Arbeitens zu verfahren. Besonderes Augenmerk ist dabei möglichen Anpassungen des gesetzlichen Rahmens zum Planungsrecht zu widmen und wird hier insbesondere und naheliegend das Potenzial für etwa auch nur vorübergehend oder versuchsweise landesgesetzlicher Maßnahmen zu erörtern sein. Zugleich und soweit einschlägig bzw. zielführend sollen Erkenntnisse aus den im Doktorandenkolleg beteiligten Nachbardisziplinen in die Untersuchung einfließen. Entsprechendes gilt für transdisziplinäre Erkenntnisse aus dem tunlichst kontinuierlich zu pflegenden Austausch mit den Praxispartnern. Ferner werden Vorgaben des europäischen Rechts zu berücksichtigen sein – namentlich die gewöhnlich recht angespannten Anforderungen an Fachplanungen nach dem EU-Umweltrecht (Stichworte: Biotop-/Arten- bzw. Fauna-Flora-Habitat-Schutz), aber auch mögliche Erleichterungen, die die EU-Kommission auf der nach dem neuesten Legislativpaket „Saubere Energie für alle Europäer“ zu erarbeitenden Plattform Coal Regions in Transition entwickeln wird.

    Zu bedenken ist schließlich, dass eine herkömmliche rechtswissenschaftliche Dissertation bei einem ambitionierten Zeitfenster für den Strukturwandel im Rheinischen Revier und angesichts bislang und erfahrungsgemäß langer Planungszeiträume womöglich zu spät kommt. Es ist deshalb an eine kumulative Dissertation zu denken.